Begleitete Selbsthilfe für Arbeitslose mit psychischen Belastungen
Der Verlust der Arbeit stellt im Leben der meisten Betroffenen ein kritisches Lebensereignis da, welches mit weitreichenden Einschränkungen
im Bereich der psychischen und physischen Gesundheit sowie der sozialen Lebensführung einhergeht. Arbeitssuchende bzw. arbeitslose Personen in
Deutschland sind in besonderem Maße von psychischen und somatischen Belastungen betroffen (Mohr, 2010; Stöbel-Richter, Brähler & Zenger,
2011). Mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit und gleichermaßen zunehmender psychische Belastung sinkt jedoch die Inanspruchnahme psychosozialer Hilfsangebote.
Die Folge: Behandlungsbedürftige psychische Belastungen werden nicht oder nur zu spät erkannt und führen bei der betroffenen Person nicht selten
zur Chronifizierung psychischer Beschwerden und somit zu fortschreitenden Einschränkungen. Die Wiederaufnahme einer Arbeitstätigkeit wird
somit immer unwahrscheinlicher. Die geringe Inanspruchnahme psychosozialer Versorgungsangebote lässt sich letztlich neben der o.g. Problematik
auch auf strukturelle Hürden des Versorgungsystems (mangelnde Kooperation einzelner Versorgungssektoren, große Spanne hinsichtlich der Verfügbarkeit, lange Wartezeiten auf ambulante Behandlungen, geringe Anzahl niedrigschwelliger Angebote) zurückzuführen.
Die adäquate Versorgung psychisch kranker Arbeitsloser stellt das Gesundheitssystem somit aktuell vor massive Herausforderungen. Vor allem strukturelle Probleme sowie eine mangelnde institutionelle Anbindung (z.B. an Jobcenter und/oder Arbeitsämter) von psychosozialen Versorgungsangeboten erscheinen hierbei besonders problematisch.
Die Vernetzung von Hilfsangeboten und Leistungserbringern mit den Stellen, die primär in der Begleitung von Arbeitslosen tätig sind, ist weiterhin mangelhaft.
Es braucht neue, innovative Versorgungsangebote, um die besonders vulnerable Personengruppe der Arbeitslosen mit psychischen Störungen
zu erreichen. Ein geeignetes Mittel zur Verbesserung des Zugangs zu evidenzbasierten Versorgungsangeboten scheint hier, neue Formate und
Unterstützungssysteme zu etablieren. Ein solches Format ist seit mehreren Jahren europaweit unter dem Begriff der begleiteter Selbsthilfe (engl.
Guided self-help) im Einsatz. Zentrale Vorteile solcher Angebote gegenüber traditionellen Verfahren liegen in der schnellen Verfügbarkeit, der
kurzen Behandlungsdauer und der geringen Komplexität der Behandlung. Dies ermöglicht es, eine Vielzahl Betroffener unterschiedlicher Herkunft,
sozialer Schicht und formaler Schulbildung schnell, effizient und effektiv zu behandeln. Insbesondere vor dem Hintergrund langer Wartezeiten auf
ambulante Psychotherapieplätze (im Kreis Gütersloh bis zu 24 Wochen, Die Glocke, 2013) werden niedrigschwellige, schnell zugängliche und effektive
Versorgungsangebote umso wichtiger.
Im Kreis Gütersloh konnte in den vergangenen Jahren durch die Kooperation von LWL-Klinikum, FH der Diakonie, Bielefeld und Jobcenter ein erstes
Pilotprojekt erfolgreich umgesetzt werden, welches die psychosoziale Begleitung von Arbeitslosen mit psychischen Belastungen zum Ziel hatte (Wabnitz et al., im Druck).