Seit Anfang September ist der Weg nun frei für pränatale Bluttests auf Trisomien als zukünftige Kassenleistung. Zugelassen sind diese Tests schon seit 7 Jahren, mussten aber bisher immer privat gezahlt werden.
Die parallel dazu verfasste Mutterschaftsrichtlinie legt dabei die Rahmenbedingungen für die Übernahme der Kosten genau fest. Damit diese stattfinden kann müssen vorher besondere Risiken oder Auffälligkeiten im Rahmen der Schwangerschaft bekannt geworden sein. Wenn der durchgeführte Test also dazu beitragen kann, dass schwangere Frauen individuell mit der Wahrscheinlichkeit auseinandersetzen können, dass eine Trisomie 13, 18 oder 21 vorliegt, dann kann der Test über die gesetzlichen Krankenkassen durchgeführt werden. Wichtig ist dabei auch die fortlaufende ärztliche Begleitung. Eine rein statistisch erhöhte Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Trisomie reicht nicht aus.
Was heißt das konkret? Wenn rein erblich die Wahrscheinlichkeit höher ist als normal, dass der Nachwuchs an einer Trisomie leidet oder es bei den regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen Auffälligkeiten gibt und die schwangere Frau damit die Sorge verbindet, dass eine Trisomie vorliegt, dann wären die Bedingungen für Pränataldiagnostik erfüllt. Statistisch ist die Wahrscheinlichkeit von Fehlbildungen bei älteren Schwangeren zwar höher. Aber allein diese Tatsache reicht nicht aus. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass der Test zu flächendeckend durchgeführt werden kann.
Praktisch muss der Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses der gesetzlichen Krankenkassen aber jetzt noch vom Bundesgesundheitsministerium rechtlich geprüft werden und ist erst dann wirksam, aber hierbei ist davon auszugehen, dass es sich nur um eine Formalie handelt. Da aber zunächst bis Ende nächsten Jahres ausführliches Infomaterial von Experten für die Schwangeren erarbeitet werden soll, wird die praktische Wirksamkeit wohl nicht vor 2021 eintreten.
Wie ist nun so eine Entscheidung in Zeiten von Inklusion und gesellschaftlicher Teilhabe für Menschen mit Behinderung zu bewerten? Auf der einen Seite gibt es in den letzten Wochen Menschen, die das individuelle Recht des Einzelnen höher gewichten als eine gesellschaftliche Entwicklung, gerade weil das individuelle Recht ja jeden Einzelnen persönlich betrifft, aber dennoch haben individuelle Einzelfälle in ihrer Summe auch immer wieder auch Auswirkungen auf gesellschaftliche Entwicklungen. Dabei ist darüber hinaus auch zu beachten, dass geltendes Recht eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung auch gegenüber Menschen mit Behinderung gesellschaftlich eigentlich selbstverständlich machen müsste. Selektion hebelt dieses Grundprinzip hingegen aus.
Gerade auch deshalb und vor dem Hintergrund eines weiterhin gelingenden Prozesses der Inklusion, welche ernst gemeint und in praktischen inklusiven Momenten immer wieder spürbar ist, sollte und muss aber auch den Argumenten der Behindertenverbände ein Platz eingeräumt werden. Diese stehen der Entscheidung des GB-A kritisch gegenüber. Sie befürchten, dass die Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderungen gesellschaftlich wieder zunehmen könnten, obwohl die gesellschaftliche Entwicklung gerade in den letzten Jahren glücklicherweise eine andere war. Es könnte der Eindruck entstehen, dass Menschen mit Behinderungen schon pränatal gesellschaftliche ausgeschlossen werden können und damit die Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention als geltendes Recht zunehmend weniger Beachtung finden könnten.
Auch könnten mit dem Test nach Meinung der Kritiker falsche Hoffnungen geweckt werden. Gerade auch dann, wenn man diesen als medizinisch sinnvoll einstuft. Zu beachten ist hierbei nämlich, dass ein solcher das Risiko einer genetischen Veränderung nicht gänzlich im Vorhinein ausschließen kann. Wichtiger ist nach Meinung der Kritiker eher eine Aufklärung über Behinderung und eine engmaschige Begleitung vor, während und nach der Geburt auch über die Verbände der Selbsthilfe.
Betrachtet man nur noch die Sichtweise der katholischen und der evangelischen Kirche so kann man schnell Uneinigkeit feststellen. Während die katholische Kirche durch den Test befürchtet, dass der Druck auf die schwangeren Frauen generell wächst und ein Rechtfertigungsdruck entsteht, so hat die evangelische Kirche zwar auch Bedenken, positioniert sich in der Praxis aber anders. Grundsätzlich wird der Test als Kassenleistung gebilligt und befürwortet das er von medizinisch fachkundigen Experten beurteilt wird, aber nur um ihn in seinem Einsatz innerhalb der Gesellschaft besser steuern zu können. Vor der Durchführung sei eine fachkundige Beratung darüber unter ethischen Gesichtspunkten wichtig und auch das Recht auf der anderen Seite nicht vorher wissen zu wollen ob der Nachwuchs einen Gendefekt hat müsse gestärkt werden. Vorher sei auch wichtig einen Entscheidungsprozess zu begleiten, der auch Gedanken darüber einschließt, wie man im Fall einer positiven Diagnose vermutlich reagieren würde.
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