Die geplante Reform der Reha- und Intensivpflege mit ihren Anfängen im September 2019 steht nun unter neuen Vorzeichen. Zunächst sollte die Intensivpflege außerhalb der Klinik mit Beatmung im eigenen zu Hause nur in Ausnahmefällen möglich sein. Betroffene sollten hingegen zumeist in stationären Pflegeeinrichtungen oder speziell darauf ausgerichteten Wohnformen versorgt werden. Diese müssen strenge Qualitätsstandards erfüllen.
Dieser Entmündigung der Patienten, welche im starken Gegensatz zur Zielrichtung der UN-Behindertenrechtskonvention auf Selbstbestimmung steht, hat man nun in einem neuen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) entgegengewirkt, nachdem es daran öffentlich deutliche Kritik gab. Im Wesentlichen besteht nun grundsätzlich selbst die Möglichkeit zu entscheiden, wo eine Versorgung stattfinden soll. Voraussetzung ist allerdings, dass die medizinische und pflegerische Versorgung an diesem Ort dauerhaft sichergestellt ist. Die persönlichen und familiären Umstände fließen dabei maßgeblich in die Entscheidung ein. Die Wünsche des Betroffenen werden nach dem neuen Entwurf berücksichtigt, wenn sie angemessen sind.
Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege soll dabei mindestens jährlich durch eine Begutachtung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) überprüft werden. Wer diese Überprüfung verwehrt, dem kann die Leistung der häuslichen Intensivpflege aberkannt werden.
Mit der geplanten Reform will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zusätzlich auch darauf hinwirken, dass beatmete Patienten nach Möglichkeit schneller entwöhnt werden. Mit jeder Verordnung außerklinischer Intensivpflege soll die Möglichkeit zur Reduzierung der Beatmungszeit erhoben und dokumentiert werden. Dabei soll auch das Potenzial zur vollständigen Entwöhnung der Beatmung und Dekanülisierung bewertet werden. Qualitätsstandards sollen darüber hinaus auch festgelegt werden, damit unseriösen Anbietern der Nährboden entzogen wird.
Unter den gesetzlich Krankenversicherten gab es im Jahr 2018 19.000 Patienten in der ambulanten Intensivpflege. Im stationären Bereich waren es 3.400 Patienten.
Die Bundesvereinigung der Lebenshilfe sieht in dem neuen Entwurf einen Fortschritt, ist aber weiterhin nicht frei von Kritik. Sie bezieht sich auf die regelmäßige Prüfung des Anspruchs durch den MDK, da die Versicherten bei dieser immer ein negatives Ergebnis fürchten müssen, an dessen Ende dann doch der Umzug in eine stationäre Einrichtung steht (vgl. Lebenshilfe). Und das ggf. auch mehrmals im Jahr. Auch der Lebenshilfe ist es dennoch wichtig, dass Missstände in der Intensivpflege verhindert werden. Sie fordert deshalb, dass die Prüfungen im häuslichen Umfeld ganz konkret nur einmal im Jahr stattfinden dürfen, sofern sich kein Verdacht auf Mängel ergibt. Darüber hinaus müsse klar geregelt werden, was passiert, wenn diese auftreten. Der Umzug in ein Pflegeheim oder eine andere geeignete stationäre Einrichtung dürfe dann nicht gleich zur Pflicht werden, sondern die Möglichkeit der Mängelbeseitigung müsse gegeben werden. Zumindest sofern diese Vorgehensweise dem Wunsch des Patienten entsprechen würde (ebenda).
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