Der frühe Donnerstagmorgen beginnt mit einer education lession for bioethics mit zwei jungen Studentinnen. Sie studieren hier bioethics und sollen in dieser Woche mit ihren praktischen Einsätzen in neurologischen Einsatzgebieten beginnen.
Das Cleveländer Magnolia Clubhouse
Die beiden Studentinnen berichten von verschiedenen cases auf den Einsatzstationen. Da ist z.B. ein 19-jähriger junger Mann, der eine Hirnoperation nach einem Autounfall benötigt. Wer kann die entsprechenden Entscheidungen dazu treffen. Wir diskutieren über die Sinnhaftigkeit eines gesetzlichen Betreuers, der in den USA eigentlich immer aus der Familie genommen wird. Es gibt in OHIO eine gesetzlich vorgeschriebene Reihenfolge, welche Familienmitglieder für die Funktion des gesetzlichen Betreuers in Frage kommen. Darüber hinaus ist immer wieder die Frage nach dem Patientenwillen, dem natürlichen und mutmaßlichen Willen, den Vorausverfügungen und Vollmachten sowie der "free decision making capacity". Diese - wir würden eher sagen - Einwilligungsfähigkeit beinhaltet verschiedene skills, die vorhanden sein müssen, damit die Einwilligungsfähigkeit eines Patienten vorliegt und er frei entscheiden kann.
Im späteren Verlauf des Tages begleite ich den psychiatrischen Liaison-Dienst der Klinik. Da es nicht genügend psychiatrische Betten gibt, werden viele Patienten, so wird mir erklärt, zunächst auf anderen Stationen aufgenommen. Die Ärzte des Liaison-Dienstes sind dafür zuständig, die psychiatrischen Patienten auf den verschiedenen Stationen aufzusuchen und die psychiatrische Behandlung für diese Patienten zu beginnen und weiter fortzusetzen. Außerdem suchen sie Patienten auf, die aufgrund einer z.B. notwendigen Operation auf einer, in diesem Fall chirurgischen Station sein müssen, aber eine psychiatrische Mitbehandlung benötigen.
Die Art und Weise, diese Patienten aufzusuchen und eine Behandlung zu beginnen, aufgrund eines kurzen Interviews unter der Beobachtung mehrerer Studentinnen eine medizinische Diagnose zu ermitteln, ist mir fremd. Der Eindruck der Fremdheit verliert sich auch nach diesem Tag der Beobachtung nicht.
Am letzten Tag, den ich hier in Cleveland verbringen darf, erlebe ich nochmals ein richtiges Highlight - ich besuche das Cleveländer Magnolia Clubhouse. Das Clubhouse ist eine Einrichtung für psychisch erkrankte Menschen mit dem Ziel, sinnstiftende Arbeit und gesunde Beziehungen zu ermöglichen. Joice und Gran, die beiden Sozialarbeiterinnen, geben sich total viel Mühe, mir alles zu zeigen und meine Fragen zu beantworten.
Die Mitarbeiter und Mitglieder des Clubhouses können eine mich sehr beeindruckende Arbeit vorstellen. Das ganze Haus ist liebevoll und mit viel Charme und Ideen eingerichtet und bietet Platz für viele Mitarbeiter und Tagesgäste. Es gibt interessante Arbeitsbereiche im Clubhouse selbst. Außerdem werden die Mitglieder, die dies wünschen unterstützt, auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen.
Der Tag beginnt an jedem Morgen mit einer Morgenbesprechung, nachdem alle langsam eingetroffen sind. In diesem meeting werden wesentliche Aufgaben verteilt. Diejenigen, die einen festen Arbeitsplatz gewählt haben, sind bereits dort und haben schon mit ihrer Arbeit begonnen. Beim Rundgang lerne ich die verschiedenen Bereiche kennen: professionell eingerichtetes Video - und Musikstudio mit dem Ziel, kleine Filme zu produzieren, ein Büro, in dem Freundes-Newsletter geschrieben und verschiedene Kopier- und Büroaufgaben erledigt werden, ein Nachbarhaus wurde als Antiquitäten- und Kunstobjekte-Haus eingerichtet und es findet ein werktäglicher Verkauf dort statt. Ein Großteil der täglichen Besucher arbeitet in der Küche mit, denn es wird täglich vor Ort frisch gekocht. Diesem Arbeitsbereich werde ich an diesem Morgen auch zugeteilt, sodass ich dann mit den anderen fröhlich Gurken schnippele, Rote Bete wasche und Teller eindecke. Dabei kann ich besonders gut mit den anderen Gästen und Mitarbeitern ins Gespräch kommen und gewinne schnell den Eindruck, dass die Gäste gerne kommen. Viele kommen schon seit Jahren, und sie sind mit Begeisterung bei der Sache. Es ist ihr Ding!
Am Nachmittag versuche ich nochmal, PhD Mark Aulisio zu besuchen, doch leider ohne Erfolg. Wir hatten in den Tagen immer mal versucht, uns nochmals zu treffen, es kam jedoch immer kurzfristig etwas dazwischen, sodass wir uns nur noch schriftlich verabschieden konnten. Schade, doch leider sind die Dinge ja manchmal anders, als gehofft.
Birgit Hahn
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