Letzter Tag in Norwegen. Ich werde es vermissen, die oft sehr entspannte, ruhige und freundliche Art vieler Menschen, die ich getroffen habe, immer etwas laid-back.
Am Morgen ist ein Spaziergang mit den Patienten geplant. Ein schöner Weg führt durch den Wald, an einem kleinen Fluss entlang zum Fjord. Ich komme mit einer Patientin ins Gespräch, sie erzählt mir, wie gerne sie singt, Gitarre spielt und Texte schreibt. Ich erwidere ihr, dass ich Chorsängerin bin und wir freuen uns über diese Gemeinsamkeit. Auf einmal bleibt sie stehen ...

... und fragt mich, ob ich mit ihr singen möchte. Wahrscheinlich kann ich diesen Moment hier und jetzt nicht wiedergeben oder vermitteln, er war für mich außergewöhnlich und berührend. Da stand diese junge Frau, auf einem Felsen am Fjord und sang mit einer unglaublich hellen und klaren Stimme ein norwegisches Lied… und ich durfte mitsingen - was für ein Abschiedsgeschenk!
Heute Abend geht mein Flieger zurück nach Deutschland, aber zuerst verbringe ich noch eine gemeinsame lunch time mit dem BET Team, - es gibt Fischkäse aus der Tube und selbstgebackene sehr leckere Waffeln! ... und über meine original schwäbische Spätzle Presse samt Rezept für Käsespätzle freuen sie sich (hoffentlich?).
Mein Resümee für meine Hospitation? Es war eine unglaubliche Erfahrung. Ich war beeindruckt über die Intensität der Arbeit. Die Hierarchie im Team ist flach, alle Berufsgruppen, ob Psychologen, Ärzte oder Pflege arbeiten therapeutisch, und erhalten in Besprechungen die gleiche Wertigkeit. Die Basale Expositionstherapie ist eine sehr komplexe Intervention und beinhaltet viele verschiedene Manuale. Ich habe Elemente der Akzeptanz und Commitment Therapie, der DBT, der Kybernetik und der systemischen Therapie kennen gelernt, und das eingebettet in einen sehr disziplinierten und strukturierten Rahmen. Dieses strenge Gerüst schützt und entwickelt den Inhalt ständig weiter. Beide, BET-Team und PatientInnen, arbeiten konzentriert und fokussiert darauf hin, die Abhängigkeit von externer Regulation zu verringern und die Fähigkeit zu stärken, Affekte und Verhalten selbst zu regulieren, um somit ein stabiles Leben außerhalb der Klinik zu führen. Im Kontakt mit den Betroffenen wirken die Mitarbeiter stets ruhig und freundlich, ohne die Situation empathisch zu überladen oder Harmonie zu erwarten – sie halten belastende Situationen aus …Die Betroffenen lernen mit existentiellen Unsicherheiten zu leben, dramatische oder destruktive Handlungen werden überflüssig.
Für mich, die ich in meiner täglichen Arbeit oft mit schwer marginalisierten Patienten konfrontiert bin, war es eine bereichernde Erfahrung zu erleben, wieviel Bemühungen eingesetzt werden, um den PatientInnen eine Alternative zu einem Leben zu geben, in dem sie nicht ständig vor sich selbst flüchten müssen, sondern ihre Emotionen und Affekte akzeptieren können. Ich möchte nochmal auf meine Anfangsfrage zurückkommen, ob es möglich wäre die BET in mein Setting zu implementieren. Das ist aus meinem jetzigen Kenntnisstand schwer zu beurteilen. Eine Organisation, die BET einführen möchte, muss die Grundannahmen und Ziele geschlossen umsetzen wollen. Das ist die Vorraussetzung und schließt auch die Leitungsebene mit ein. Das BET Team arbeitet sehr intensiv mit einem großen personellen Einsatz bei einer, im Vergleich zu meinen Bedingungen, geringen Patientenzahl. Obwohl ich die BET Sektion im ökonomischen Bereich als wirtschaftlich denkend und Ressourcen nutzend erlebt habe, kann ich mir bei der jetzigen Vergütung in Deutschland im ambulanten psychiatrischen Pflege Sektor nur eine Finanzierung in einem außerordentlich aufgestellten Modell vorstellen. Auf längere Sicht ist BET aber durchaus eine “günstigere” Alternative im Gegensatz zu immer wiederkehrenden Krankenhausaufenthalten therapieresistenter PatientInnen. Das belegen auch die bisher erhobenen Zahlen.
Elemente der BET finden sich aber durchaus in empowermentorientierten Konzepten wieder. Auch in Behandlungsansätzen, wie zum Beispiel dem „Open Dialog“ trifft man auf Module der BET. Gerade bei der Begleitung von DrehtürpatienInnen sind diese Grundgedanken eine Chance, Impulse aufzunehmen und Neues auszuprobieren.
Leider gibt es im Moment noch wenig deutsche Literatur. Eine deutsche Übersetzung der Manuale wäre gut und wünschenswert, da das Thema einfach sehr spannend ist und viele unterschiedliche Schulen vereint.
Hier noch ein paar Literaturtips, die ich von den Mitarbeitern des BET Teams erhalten habe:
- Andersen (Hsg.), Das reflektierende Team. Dialoge und Dialoge über die Dialoge. Verlag: Modernes Lernen, Hannover, 1990
- Hammer & Heggdal, Fürchtet sich die Psychiatrie vor Gefühlen?. Psych Pflege, 18: 313 - 317, Georg Thieme Verlag, 2012
- Hayes & Smith, In Abstand zur inneren Wortmaschine. Verlag: dgvt, Tübingen, 2009
- Yalom, Existenzielle Psychotherapie, Verlag: EHP, 2010
In der Blog Roll ist ein Link eines You Tube Films über den Dreiländerkongress, das war mein erster Impuls, mir die BET anzuschauen.
Danken möchte ich zuerst der Hochschule für die Möglichkeit eines Blogs auf dieser Plattform (und das in meinem Alter!, - na ja man lernt nie aus). Herr Nienaber der mich ermuntert und ermutigt hat, „Das kriegen Sie hin“ und vor allem Martin Eickhoff, meinem Mastermind, der die Strippen im Hintergrund gezogen bzw. die Seiten aufgebaut hat. Er hatte immer und zu jeder Zeit ein offenes Ohr, er war anregender Diskussionspartner und Ratgeber. Danken möchte ich dem Team der BET Sektion vor allem Didrik für diese wunderbare Erfahrung.- mange takk! Und natürlich auch Jan, für das Geschenk der Kritik und die inhaltliche Unterstützung. Ein herzlicher Dank gilt auch den Lesern des Blogs, ich hoffe ihr hattet Spaß und Inspiration.
DANKE! Eure Stefanie, Kurs PP 16.1

Fotos: Anflug auf Frankfurt; May the Force be with you!
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