Heute werde ich euch ein wenig den Tagesablauf beschreiben, um dadurch die Arbeitsweise von BET zu verdeutlichen. Das ist wichtig um zu verstehen wie strukturiert BET durchgeführt wird. Das erste Meeting am Morgen umfasst die Dokumentation und Planung. Jeder Besprechungsraum enthält Computer, Laptops, ein Beamer mit Leinwand und eine Flipchart. Dokumentationen in Papierform habe ich nirgends gesehen. Das Dokumentationsblatt jeder PatientIn wird auf die Leinwand geworfen. Dann liest ein Teammitglied laut vor, alle anderen hören zu. Auf meine Frage warum sie das auf diese Art tun - immerhin kann ja jeder selber lesen - bekomme ich zur Antwort, …
... dass der Inhalt der Dokumentation stärker in den Fokus rücken soll. Außerdem wird dadurch sichergestellt, dass alle die Dokumentation gelesen haben (mich beschleicht kurz der Gedanke an meine ausführlichen Berichte, die in den Untiefen unserer Patientenakten verschwinden und wahrscheinlich noch nie gelesen wurden). Den Eindruck, das Prozesse ganz bewusst und deutlich wahrgenommen und gesteuert werden, wird mich noch den ganzen restlichen Tag begleiten. Es folgt eine längere Besprechung über den momentanen Stand, die Einschätzung durch das Team und die weitere Vorgehensweise über die einzelnen PatientInnen. Die Schwerpunkte sind an den jeweiligen Tagen verschieden. Heute werden die Medikamente ins Blickfeld genommen. Alle PatientInnen sind für ihre Medikamente selbst verantwortlich. Einige haben, bevor sie auf die BET Sektion aufgenommen werden, ihre bisherige Medikation abgesetzt oder deutlich reduziert. Darum werden sie, in einem Aufklärungsschreiben, vor ihrer Aufnahme gebeten. Da die Warteliste für einen BETPlatz lang ist und es in der Regel bis zu einem Jahr dauert, bis die Therapie beginnen kann, ist es möglich in dieser Zwischenzeit, geplant, Medikamente zu minimieren oder abzusetzen. Das ist wichtig, da die BET eine gute Eigenwahrnehmung erfordert, um Bewusstseinsprozesse zu ermöglichen.
Heute berichtet die behandelnde Ärztin über die Frequenz der Einnahme und die eventuelle Anpassung der Bedarfsmedikationen. Anschließend werden die restlichen Tagesaufgaben verteilt und die Fokusgespräche geplant.
Ich habe die Möglichkeit, an einem Fokusgespräch teilzunehmen. So wie ich es beobachten konnte, geht es inhaltlich dabei um die Vorbereitung der täglichen “Challenges”. Die Betroffenen versuchen zusammen mit einem sie begleitenden Teammitglied ihre täglichen Herausforderungen vorzubereiten und sich darauf zu fokussieren. Die Patienten haben schlimme Erfahrungen hinter sich und die dabei entstandenen Empfindungen begleiten sie in ihrem täglichen Leben. Das Objekt ihrer Angst, ist die Wiederholung des Geschehenen und die damit verbundenen Gefühle während des Erlebten. Ihr täglicher Auftrag im Rahmen der BET ist dabei, introspektiv diese aufkommenden Gefühle nicht zu vermeiden oder sie zu intellektualisieren. Dies alles geschieht im Wissen, dass Gefühle “per se” nicht gefährlich und dass, die inneren Empfindungen wahrgenommen werden können, ohne dass sich das Schreckliche wiederholt. Gegenstand der Achtsamkeit kann zum Beispiel sein:
- Meine Impulse und mein Handlungsdrang
- Meine gewohnte Wahl von Handlungen
- Meine alternativen Handlungsoptionen (ohne unbedingt etwas anderes zu tun)
- Was bemerke ich, wenn ich Entscheidungen treffe und mich an verschiedenen Handlungen beteilige, zum Beispiel wenn ich Erfahrung habe
- Launenhaftigkeit
- was passiert mit mir, wenn ich von anderen nicht geschätzt werden
- Innere Unruhe, Bauchschmerzen, Irritation etc.
- Was ist typisch für mich, meine typischen Reaktionen und Handlungen?
- In welchem Maße handle ich automatisch in typischen festen und starren Mustern
Die Patientin, bei deren Gespräch ich dabei sein durfte, erläutert mir, wie hart sie dabei arbeiten müsse und wie anstrengend es für sie ist. Trotzdem sehen die PatientInnen in diesem Angebot die Möglichkeit, ihrem Leben eine neue Richtung geben zu können.
Am Nachmittag wird dann in einem erneuten Fokusgespräch der Tag nachbesprochen und evaluiert.
Solch ein Rückblick kann folgende Fragen beinhalten:
- Wie habe ich die heutigen Herausforderungen gemeistert und bewältigt?
- Was für Erfahrungen habe ich gemacht? War ich ruhig und besonnen, traurig oder entschuldigend. - Welche anderen Impulse, Gedanken und Gefühle sind durch die Kette von Ereignissen in mir aufgetaucht?
- Wie habe ich mich für das, was in mir passiert ist, entschieden?
- War mir bewusst, was passiert ist, wann es passiert ist oder ist es einfach passiert?
- Gab es etwas, was durch mich zu dieser Erfahrung führte?
- Habe ich mir erlaubt, die Erfahrung willkommen zu heißen?
- Habe ich ein Vermeidungsbedürfnis erfahren? Wenn ja, welche Art von "Lösungen" kamen mir in den Sinn und was habe ich getan?
- Was war die Konsequenz meiner Wahl und meiner Handlung? Habe ich das Problem gelöst oder war es eine vorübergehende Lösung, die dazu beitragen könnte, das Problem längerfristig beizubehalten? (kreative Hoffnungslosigkeit)
- Können einige der Erfahrungen, die ich heute gemacht habe, therapeutisch nützlich sein?
- Bin ich bereit, mir Notizen zu machen und sie zur nächsten Therapiesitzung mitzunehmen?
Dies Fokusarbeit geschieht immer in Verbindung mit der validierenden Kommunikation durch das BET Team. Die begleitende Bezugsperson vermeidet dabei Lösungsvorschläge, fragt nicht nach oder bohrt nach Informationen. Diese Art der bestätigenden Kommunikation ist das wichtigste Instrument der BET. Dadurch wird ein Raum geschaffen, in dem sich die Betroffenen mit ihren Gefühlen und Katastrophenängsten anerkannt und angenommen fühlen. Dadurch kann sich das Gefühlschaos ordnen und die Patienten lernen, ihr unterschiedliches Verhalten wahrzunehmen, auszudrücken und zu regulieren.
Für mich war es sehr beeindruckend zu sehen wie kleinschrittig die Vorgehensweise dabei ist.
Auch wird den Patienten keinerlei tagesstrukturierendes Angebot gemacht. Einzig ein gemeinsamer Spaziergang am Morgen ist Gegenstand des täglichen Programms. Die BET Teilnehmer sind selbst verantwortlich wie sie ihren Tag gestalten.
Am Nachmittag darf ich an einem Meeting teilnehmen, das bei den Patienten regelmäßig alle drei Wochen auf ihrem Therapieplan steht - das „Reflecting Team“. Aber davon morgen mehr ...
Ich werde jetzt erstmal einen kleinen Abendspaziergang am Fjord entlang machen und meine vielen Eindrücke ordnen.
Bis bald, eure sehr beeindruckte Stefanie

Fotos unten: glasklares Wasser, Hafen von Vollen
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