Am Morgen kann ich die Notizen, die Martin Smith in die medical records (Krankenakten) der einzelnen Patienten verfasst hat, nachlesen und mich mit ihm darüber austauschen. Er nimmt sich sehr viel Zeit, damit ich Fragen stellen kann und es ist ihm eine Herzensangelegenheit, mir die Art und Weise, wie in der Cleveland Clinic Ethikberatung angeboten wird, näher zu bringen.
Dabei wird mir deutlich, dass jeder Mitarbeiter in der Abteilung für bioethics einen anderen Background und spezifische Fachexpertise besitzt. Da ist z.B.
- Kathryn Weise, MD, MA, die aufgrund ihres beruflichen Hintergrunds viel Expertise in Fallberatungen bei Kindern hat.
- Martin Smith, STD kennt sich besonders in Fragen zur Transplantation aus.
- Paul Ford, PHD ist in Bezug auf Neurologie, insbesondere im Bereich der Epileptologie der Experte,
um nur einige Namen zu nennen.
An diesem zweiten Tag darf ich bei einem Interview eines"living living donors" teilnehmen. Wie mir erklärt wird, ist der Anteil von Organspenden, die durch Unfälle, usw. möglich werden, viel zu gering, um alle notwendigen Transplantationen vorzunehmen. In den letzten Jahren stieg der Anteil der sog. "Lebendspender" in den USA. Es ist dort gesetzlich vorgeschrieben, diesen Lebendspendern einen unterstützenden professionellen Mitarbeiter an die Seite zu stellen, der nur auf die Bedürfnisse und Belange des Spenders zu achten hat. Diese Funktion übernehmen in vielen Fällen Ethiker der Krankenhäuser, die solche Transplantationen durchführen.
Der Nachmittag ist wieder gefüllt mit Patientenberatung, dem Aufsuchen und Beraten der anfordernden Mitarbeiter und einem Familiengespräch mit der Mutter der psychisch erkrankten Patientin auf der inneren Station. An dem Gespräch nehmen beide Fachabteilungen (Psychiatrie und Innere) teil, sowie die Mutter als gesetzliche Betreuerin. Im Ergebnis kann die Patientin auf der Inneren Station bleiben, was besonders von der Mutter der Patientin gewünscht wurde und diese sehr erleichtert. Als wir zurückgehen, stelle ich die Frage nach dem Patientenwillen, der im Fallgespräch nicht explizit erwähnt wurde. Mir war nicht klar, was die Patientin denn eigentlich gewollt hätte.
Ist das vielleicht schon ein Teilaspekt auf meine Fragestellung: Wie werden psychiatrische Patienten in Entscheidungen, die sie betreffen, einbezogen? Haben sie eine Stimme in dem multidisziplinären Prozess? Benötigt es ein selbstverständlicheres Einbeziehen von psychiatrischen Patienten in Fallgespräche und Behandlungsentscheidungen? Etwas nachdenklich fahre ich heute wieder zurück ...
Birgit Hahn
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